Die Geschichte der ISS

Der in eine falsche Umlaufbahn geratene russische Raumtransporter "Progress 59" wird die internationale Raumstation nicht erreichen. An Bord des Transporters sind unter anderem Lebensmittel, die jetzt voraussichtlich in der Atmosphäre verglühen. Hunger und Durst wird die siebenköpfige Besatzung der ISS aber nicht leiden. Die Vorräte an Bord der Station reichen für Monate. 1998 begann der Bau der Raumstation. Seit November 2000 ist sie durchgehend bewohnt, daran wird auch die jüngste Panne nichts ändern. Die 16 beteiligten Nationen unter Federführung der Nasa und der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos haben sich geeinigt, die ISS bis mindestens 2024 zu betreiben, womöglich länger. Roskosmos plant, nach Ablauf der Kooperation das russische ISS-Modul als Basis einer neuen, eigenen Station zu verwenden.

Erste Pläne schon in den 50er-Jahren

Die Idee für einen menschlichen Außenposten im All gab es schon, bevor der Mensch den Mond erreicht hatte. Der deutsche Raumfahrtpionier Wernher von Braun träumte in den 50er-Jahren von einer Raumstation, als in den USA auf Basis seiner V2-"Vergeltungswaffe" die ersten unter seiner Federführung entwickelten Weltraumraketen entstanden. Während die Nasa ihre Mittel erst auf die Expedition zum Mond und dann die Entwicklung der Space Shuttles fokussierte, mehrten die Sowjets auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs ihre Expertise in Sachen Raumstation und Langzeitaufenthalt im All. Die Mir umkreiste von 1986 bis 2001 die Erde, die finale von zahlreichen russischen Raumstationen. Bis heute dienen die russischen Raumschiffe vom Typ Sojus dem ISS-Projekt. Zwei sind stets an der Station angedockt, damit sich die Astronauten im Notfall per Sojus zur Erde retten können.

Die Russen brauchten Geld, die Amerikaner Expertise

Präsident Ronald Reagan hatte in den 80er-Jahren den Bau einer ähnlichen Station namens „Freedom“ angekündigt, aber es zeigte sich bald, dass die Kosten dafür von den Amerikanern allein nicht zu schultern sind. Nach dem Ende des kalten Krieges dauerte es nicht lange, bis Nasa und Roskosmos zueinander fanden: Die Russen brauchten Geld, und die Amerikaner hofften, vom Sachverstand ihrer einstigen Erzfeinde zu profitieren. Die Kooperation begann in den frühen 90ern mit dem „Shuttle-Mir-Programm“, bald darauf folgte die Einigung über den gemeinsamen Bau einer Raumstation. Mit im Boot sind seitdem Japan, Kanada und mehrere europäische Staaten mit ihrer Raumfahrtagentur ESA. Den weitaus größten Anteil der europäischen Gelder, 41 Prozent, bringt Deutschland für die ESA auf. China und Indien haben Interesse bekundet, sich zu beteiligen, blieben aber außen vor. Beide Länder forcieren seitdem ihre eigenen Weltraumprogramme.

Drinnen viel Platz, aber kaum Komfort

Wie seinerzeit die Mir ist die internationale Raumstation modular aufgebaut. Das fliegende Forschungslabor ist im Lauf der vergangenen Jahre Stück für Stück gewachsen. Space Shuttles und russische Raketen haben die Einzelteile ins All gebracht, dort haben Astronauten sie montiert, mal im Außeneinsatz, mal mit einem Roboterarm. Mittlerweile hat die Station die Ausmaße eines Fußballfeldes erreicht, auch wegen der gewaltigen Sonnensegel, die die Energieversorgung sicherstellen. Der Platz im Inneren gleicht in etwa dem in einem Jumbo-Jet. Dennoch müssen die Bewohner auf Komfort weitgehend verzichten. Sie leben zwischen Kabeln, Monitoren und diversen Apparaturen für all die Forschungsprojekte, die sie betreuen.

Stabiler Espressoschaum dank Weltraumforschung

Naturwissenschaftliche Forschung für Physik, Chemie, Biologie, Medizin und andere Fachgebiete – das ist in erster Linie Sinn und Zweck der ISS mit ihrem europäischen Forschungsmodul „Columbus“. In fast 1.000 Experimenten haben die Astronauten in den vergangenen Jahren die Schwerelosigkeit zum Forschen genutzt. Hauptsächlich im Dienste der Wissenschaft, aber auch für industrielle Auftraggeber. Unter anderem gelang dank der Arbeit auf der ISS die Herstellung einer besonders widerstandsfähigen wie leichten Titan-Legierung, die in Zukunft Jet-Triebwerke deutlich effizienter machen soll. Der Lebensmittelkonzern Nestlé ließ die Physik von Schäumen im All untersuchen, was auf der Erde zu stabilerem Espressoschaum führen soll. Durch den natürlichen Knochenabbau und Muskelschwund im All erhoffen sich Mediziner Rückschlüsse für neue Behandlungsmethoden irdischer Krankheiten wie Osteoporose. Die Nasa bemüht sich jetzt verstärkt, die Auswirkungen langer Weltraumaufenthalte auf den menschlichen Organismus besser zu verstehen. Im Vorfeld der geplanten Expedition zum Mars soll die Aufenthaltsdauer der Astronauten auf der ISS verlängert werden. Im Fokus der Mediziner stehen die Astronauten und Zwillingsbrüder Scott und Mark Kelly. Scott lebt seit März auf der Station, Mark blieb am Boden.

ISS-Kooperation geht weiter trotz Ukraine-Krise

Abseits der Forschung eröffnet die ISS neue Horizonte in der Diplomatie. Zwischen den USA und Russland bricht immer wieder eine neue Eiszeit aus, davon weitgehend unberührt arbeiten ihre Raumfahrtorganisationen vertrauensvoll und transparent zusammen. Es bedurfte schon eines geopolitischen Erdbebens wie der russischen Krim-Annexion und der Ukraine-Krise, um dieses Verhältnis zu erschüttern. Die Nasa schränkte in der Folge ihre Zusammenarbeit mit Roskosmos, aber beide Seiten versicherten, dass die Zusammenarbeit in Sachen ISS davon unberührt bleibt. Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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