Warum interkulturelles Training zu den wichtigsten Disziplinen der heutigen Zeit zählt

Gesellschaftliche Veränderungen und Interkulturelles Training

Unsere Welt scheint immer kleiner zu werden. Innerhalb weniger Jahre haben wir uns zu einer Informationsgesellschaft entwickelt, in der es völlig normal wurde, mit Menschen, die auf dem ganzen Globus verteilt sind, in Echtzeit zu kommunizieren. Begonnen hat dieser vereinfachte und beschleunigte Informationsaustausch mit der Entwicklung des Emails, das mittlerweile jedoch selbst schon wieder als Großvater der modernen Kommunikation gilt. Diverse Messenger wie WhatsApp oder Telegram und die Kommunikation auf Social Media Kanälen haben ihm den Rang abgelaufen. Außerdem ist es möglich, mit Diensten wie Skype ohne Zeitverzögerung und kostenlos mit jedem, der einen Internetanschluss besitzt, ein Videotelefonat zu führen. Die professionelle Version davon ist die Videokonferenz, die mit professioneller Ausrüstung in größeren Firmen auf solche Weise organisiert wird, dass der Eindruck entsteht, man säße mit den anderen Teilnehmern gemeinsam am Tisch, obwohl diese mehrere tausend Kilometer entfernt sind. Sollte doch einmal eine Reise nötig sein, ist jedes Ziel auf der Welt rasch und günstig erreichbar; die Frequenz von Flügen hat sich fast so schnell erhöht wie die Preise gefallen sind. Viele Firmen, gerade im IT-Bereich, stellen Mitarbeiter aus der ganzen Welt ein und finden es ganz normal, dass an einem Tisch Kollegen aus verschiedenen Teilen der Welt sitzen. Gerade im Geschäftsbereich verursacht dieses Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen aber oft auch erhebliche Probleme, wenn die Akteure nicht ausreichend auf den Umgang mit anderen Kulturen vorbereitet sind.

Nationale Umgangsformen und kulturelle Unterschiede

Bei geschäftlichen Verhandlungen finden sich die Teams beider Seiten manchmal in einer festgefahrenen Situation, die niemand wollte und die unnötig und unverständlich erscheint. Die andere Partei scheint sich unlogisch zu verhalten. Wenn die Kommunikation in einer anderen Sprache als der Muttersprache oder gar über einen Dolmetscher stattfindet, werden die Probleme noch zusätzlich verstärkt. In anderen Kulturen herrscht oft ein völlig anderer Umgang mit der Zeit vor, als im eigenen Land. Wenn einem diese unterschiedliche Prägung nicht bewusst ist, erwartet man vom Gegenüber den gleichen Umgang mit der Zeit als man ihn selbst ausübt. Der Andere erscheint zu schnell oder zu faul, ist zu hektisch oder zu ruhig, zu verbissen oder zu faul. Auch Höflichkeit ist ein subjektiver Eindruck. In manchen Kulturen ist es üblich, zu lächeln und freundlich zu sein, woanders wundert man sich darüber, dass der Geschäftspartner ständig grinst, obwohl es keinen Grund dafür gibt. Das wird dann als unaufrichtiges Verhalten interpretiert, während woanders eine Begrüßung ohne Lächeln als unhöflich und kalt empfunden wird. Häufig wird solch ein Eindruck durch ein Nichteinhalten der Komfortzone verstärkt. In westlichen Kulturen gilt als Faustregel ein Abstand zum Gesicht des Gesprächspartners von ca. 30 cm als normal. In manchen Ländern würde dies bereits als Verletzung der Intimsphäre interpretiert, während andere Gesprächspartner so nahekommen, dass beinahe die Nasen zusammenstoßen. Gastfreundschaft wird ebenfalls sehr unterschiedlich interpretiert. In manchen Ländern, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass der ausländische Besucher nach Hause eingeladen wird und dort mit dem Besten versorgt wird, das der Kühlschrank hergibt, während man in anderen Ländern oft nicht einmal bei stundenlangen Verhandlungen einen Kaffee vorgesetzt bekommt. In manchen Kulturen werden Dinge direkt angesprochen und bei Verhandlungen ohne Umschweife Kernthemen in Angriff genommen, während anderswo die Verhandlungskultur es erfordert, umfangreichen Smalltalk zu führen und während der Verhandlungen auf verschlungenen Pfaden zum Ziel zu kommen. Im schlimmsten Fall bewirken diese kulturellen Eigenheiten, dass dem Gegenüber negative Attribute zugeschrieben werden. Dies hat oft zur Folge, dass sich Projekte viel schwieriger gestalten, als dies nötig wäre oder überhaupt scheitern. Die finanziellen Konsequenzen sind nicht abzuschätzen. Meist handelt es sich jedoch um eine Fehlinterpretation und Missverständnisse. Interkulturelles Training kann die Basis dafür sein, dass Kulturunterschiede als solche erkannt und entsprechend bewertet werden.

Förderung der Empathie durch Interkulturelles Training

Eine Schlüsseleigenschaft, die zum Verständnis anderer Kulturen gefördert werden muss, ist Empathie, also die Fähigkeit, sich in den Anderen zu versetzen und aus dieser Sichtweise heraus dessen Vorgehensweise besser zu verstehen. Interkulturelles Training fokussiert auf diese Eigenschaft und hat bei sämtlichen Stufen immer das Verstehen des Anderen zum Ziel. Man unterscheidet zunächst allgemeines und spezialisiertes interkulturelles Training. Ersteres richtet sich an Teilnehmer, die häufig mit mehreren, verschiedenen Kulturen konfrontiert sind, ohne dass dabei ein bestimmtes Land im Vordergrund steht. Führungskräfte, die zu Endverhandlungen in verschiedene Länder reisen, Verkäufer, die für ein großes, länderübergreifendes Gebiet zuständig sind oder Teamleiter, die Spezialisten verschiedener Nationalitäten führen, sind hier die typische Zielgruppe. Solche ein Training ist sehr gut geeignet, um ein Verständnis für das Vorhandensein kultureller Prägung bei Anderen, aber auch bei sich selbst zu erhalten. Nicht nur der Geschäftspartner verhält sich nach Mustern, die ihm gar nicht bewusst sind, sondern auch wir selbst folgen diesen, ohne es zu bemerken. Wenn Kursteilnehmer diese Mechanismen verstanden haben und darüber hinaus wirklich bereit sind, diese zu akzeptieren und die eigene Kultur im Business nicht über andere zu stellen, war das Training erfolgreich und wird bereits eine deutliche Verbesserung im Verhältnis zu den Geschäftspartnern bewirken. Während des Trainings werden gemeinhin viele anschauliche Beispiele verwendet, wie sich die Bewohner anderer Länder in bestimmten Situationen verhalten und auch viele solcher typischen Situationen in der Gruppe durchgespielt, damit man auch einen Eindruck davon verhält, wie falsch man das Verhalten des Partners interpretieren kann und welche Missverständnisse dadurch entstehen können. Der Vorteil solch eines allgemeinen interkulturellen Trainings ist auch, dass der Preis meist relativ günstig ist, da die Inhalte, die sich ja nicht auf eine bestimmte Kultur fokussieren, wiederholbar sind und keine oder nur wenig zusätzliche Vorbereitungskosten durch den Trainer erfordern.

Fundierte Marktkenntnisse durch spezifisches Training

Etwas spezieller wird es bei Trainings, die auf den Umgang mit einer bestimmten Kultur vorbereiten sollen. In den letzten Jahren haben – bedingt durch den raschen wirtschaftlichen Aufstieg dieser Nation – Interkulturelle China-Trainings stark zugenommen. In diesen Trainings kann man naturgemäß besser auf die Besonderheiten einer bestimmten Kultur vorbereitet werden. Solch ein spezifisches interkulturelles Training ist gut geeignet für Verkäufer, die eine bestimmte Marktregion betreuen, Spezialisten, die in ein anderes Land entsendet werden oder Key Account Manager mit Marktfokus. Auch hier wird neben dem theoretischen Fundament viel mit Fallbeispielen gearbeitet und konkrete Situationen durchgespielt. Dabei wird aber mehr in die Tiefe gegangen und damit auch speziellere Situationen behandelt. Der einzige Nachteil eines solchen Trainings, der sich aber in der Praxis nicht zu häufig zeigt, wäre das Teilnehmer, die so geschult sind, im tatsächlichen Kontakt mit dem Geschäftspartner übertreiben und damit beim Gegenüber einen ebenso befremdlichen Eindruck hinterlassen als wären sie gar nicht geschult. Chinesische Geschäftspartner sind oft belustigt, wenn sich westliche Manager plötzlich auffällig unterwürfig verhalten, weil sie gelernt haben, dass dies in China so üblich wäre. Gutes interkulturelles Training nimmt natürlich auch darauf Rücksicht und schafft die nötige Aufmerksamkeit bei den Teilnehmern.

Kompetenz durch Interkulturelles Training

Abhängig von der Trainingsmethode profitieren die Kursteilnehmer in unterschiedlicher Weise von interkulturellem Training. Allen gemeinsam ist ein sozialer Lerneffekt, den das Reflektieren von eignen und fremden Verhaltensmustern mit sich bringt. Die Erkenntnis, dass jeder Mensch angelernten Verhaltensmustern folgt, ist zunächst wichtig für den Umgang mit fremden Kulturen, kann aber genauso gut für die Kommunikation innerhalb des eigenen Kulturkreises angewendet werden. Auch ein besseres Verständnis für richtige Kommunikation, Körpersprache und Verhandlungstechnik ist ein willkommener Nebeneffekt des Trainings. Besonders für angehende Verkäufer ist es immer wieder wichtig, nicht zu vergessen, dass man auf den Kunden oder den Verhandlungspartner eingehen muss und seine Situation und seine Probleme möglichst genau erfassen soll. So wächst zum Beispiel bei Umgang mit autoritären Kulturen das Verständnis dafür, warum es dem Verhandlungspartner so schwer fällt, eine Entscheidung zu treffen, wenn einem bewusst wird, dass dieser im Falle einer Fehlentscheidung nicht nur verwarnt wird wie in westlichen Kulturen, sondern dass dieser mit schweren Konsequenzen rechnen muss, die seine Karriere deutlich negativ beeinflussen können. Bei einem spezifischen Training kommt noch Fachwissen über das jeweilige Land hinzu. Strategische Entscheidungen, die den jeweiligen Markt betreffen, können besser getroffen werden. Bei der Lancierung eines neuen Produktes wird man die Marketingmaßnahmen entsprechend adaptieren. Bei langfristiger Tätigkeit auf diesem Markt kann ein tragfähiges Vertrauensverhältnis zum Geschäftspartner aufgebaut werden, das über die Jahre vielleicht sogar zu einer Freundschaft heranreift und damit zu einer Bereicherung des Lebens führt. Teamleiter können Teammitglieder, deren Kultur es vielleicht nicht erlaubt, sich in den Vordergrund zu stellen, verstärkt dazu animieren, sich einzubringen. Zuletzt sei auch noch erwähnt, dass interkulturelles Training auch die eigene Persönlichkeitsentwicklung fördert kann, indem der Blick auf sich selbst und sein eigenes Verhalten geschärft wird.

Direkter Nutzen für die Wirtschaft

Obwohl es unmöglich ist, die Folgen aus kulturellen Unterschieden und deren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft monetär zu bewerten, kann man davon ausgehen, dass diese beträchtlich sind. Aus makroökonomischer Sicht müsste ein marktwirtschaftliches System, in dem die Akteure von den negativen Folgen kultureller Missverständnisse befreit werden, wesentlich effizienter arbeiten und damit zu erhöhter wirtschaftlicher Leistungskraft, einer verbesserten Preisbildung und verringerter Arbeitslosigkeit führen. Auf mikroökonomischer Ebene können sich einzelne Unternehmen mit Mitarbeitern, die durch interkulturelles Training geschult wurden, einen Vorsprung gegenüber ihren Konkurrenten schaffen, bei denen dies nicht der Fall ist. Verhandlungen können abgekürzt und zu einem besseren Ergebnis geführt werden. Bessere Produkte können schneller auf den Markt gebracht werden. Teams arbeiten effizienter und schneller, der Zusammenhalt steigt. Interkulturelles Training sollte daher bei Unternehmen, deren Märkte sich in verschiedenen Ländern befinden oder deren Mitarbeiter aus unterschiedlichen Kulturen stammen, ganz oben auf einer Liste möglicher Weiterbildungsmaßnahmen angesiedelt sein. Bild: pressmaster / 123RF Lizenzfreie Bilder